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Aus dem Bundeshaus

BVG-Minimalpläne sind passé

14.10.2024
Lesezeit: 4 min

«Komplexe Reformen sind einfach zu bodigen. Man muss nur den Leuten Angst einjagen, irreführende Behauptungen aufstellen – und schon ist der Karren geführt.» Oder? Mattea Meyer sieht das anders. Im Schweizer Fernsehen sagte die Co-Präsidentin der SP: Das Argument, die Vorlage sei zu komplex und die Menschen «seien halt etwas zu dumm gewesen, um die Vorlage zu verstehen», sei falsch. Im Gegenteil: Die Leute hätten sehr wohl verstanden, «dass diese Vorlage bedeutet, dass sie mehr bezahlen müssen für schlechtere Renten». Haben es die Menschen wirklich verstanden oder einfach nur geglaubt? Wahrscheinlich Letzteres.

Salamitaktik

Eine BVG-Reform mit der Senkung des Umwandlungssatzes ist nun nach 2010 und 2017 zum dritten Mal gescheitert. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat recht, wenn sie sagt, man müsse in kleineren Schritten weitermachen, um eine finanziell und sozial tragfähige Lösung zu finden.

Auf gut Deutsch heisst das Salamitaktik: Doch das Hauptproblem, der zu hohe Umwandlungssatz, lässt sich ohne Kompensationsmassnahmen nicht senken. Die aktuelle Abstimmung zeigt: Es würde massive Kompensationszahlungen brauchen, wie sie die Gewerkschaften unter Zustimmung des Arbeitgeberverbands vorschlugen und vom Bundesrat telquel übernommen wurden.

Noch stärker unter Druck?

Nun war wiederholt zu hören, die Politik sei jetzt noch stärker unter Druck, eine Lösung zu finden. Eine Lösung wofür? Für den zu hohen Umwandlungssatz? Für den unsäglichen Koordinationsabzug? Oder für Teilzeitbeschäftigte?

Im Mittelpunkt steht der gesetzliche Mindestumwandlungssatz. Die Gegner der Reform argumentierten im Vorfeld, dessen Senkung sei nicht nötig. Die Vorsorgeeinrichtungen hätten vorgesorgt und für das überobligatorische Kapital bereits tiefere Sätze angesetzt.
Diese Aussage ist nicht falsch, gilt aber nicht für alle. Nach dem Entscheid des Souveräns bleibt daher nur eine Möglichkeit: die reinen BVG-Kassen abschaffen und überobligatorische Guthaben aufbauen, die ausschliesslich dazu dienen, die durch den zu hohen Umwandlungssatz entstehende Finanzierungslücke zu schliessen.

Unvermeidbar: höhere Lohnkosten

Der Bäcker-Confiseurmeister-Verband gehört zu denjenigen, die die Revision wegen der zu hohen Lohnkosten abgelehnt haben. Doch wer sich bisher mit Minimalplänen laut BVG begnügte, muss so oder so mit höheren Lohnkosten rechnen, da überobligatorische Guthaben geschaffen werden müssen.

Es sei denn, Vorsorgeeinrichtungen würden weiterhin Minimalpläne anbieten und diese mit dem Geld von aktiv Versicherten quersubventionieren. Das wäre zwar verwerflich, aber kaum zu verbieten.

Zumindest was den Umwandlungssatz betrifft, ist der Reformdruck somit nicht mehr allzu gross. Bei den Teilzeitbeschäftigten liegen die Dinge anders: Warum nicht jenen Teil der BVG-Revision, der die Vorsorge für Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte verbessert, separat einführen?

Asip: Marschhalt

Asip-Direktor Lukas Müller-Brunner warnt davor. Man würde damit den obligatorischen Teil ausbauen, ohne auf der anderen Seite die Beiträge anzupassen. Er plädiert für einen Marschhalt.

«Bevor überstürzt erneut Reformen gefordert oder der beruflichen Vorsorge noch engere regulatorische Fesseln angelegt werden, muss das im Abstimmungskampf arg strapazierte Vertrauen in die 2. Säule nachhaltig gestärkt werden», schreibt der Asip nach dem klaren Verdikt an der Urne.

Die Linke dagegen möchte von einem Marschhalt nichts wissen. Verständlich, schliesslich hat sie eine Vorlage abgeschossen, die unbestrittene Vorteile für Teilzeitbeschäftigte und damit zu einem grossen Teil für Frauen gebracht hätte.

Schlechter Stil

So fordert die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen mit der Motion 24.3921 einen prozentualen Koordinationsabzug und eine gesetzliche Anpassung für Mehrfachbeschäftigte. Also genau das, was auch im Reformpaket enthalten war. Es kam nicht bei allen gut an, dass sie die Motion am 19. September einreichte – drei Tage vor der Urnenabstimmung.

Klar ist: Die Linke will auch in der 2. Säule mehr Umverteilung. Dazu gehört die Forderung nach Erziehungs- und Betreuungsgutschriften analog zur AHV. Auch den fakultativen Teuerungsausgleich zu einem obligatorischen zu machen, ist ein Thema.

Dazu muss man wissen, dass viele der heutigen Rentnerinnen und Rentner versicherungsmathematisch eine zu hohe Rente erhalten, was nur durch systemwidrige Quersubventionierung möglich wurde. Das ist ein Grund, weshalb die Vorsorgeeinrichtungen bisher mit der Auszahlung des Teuerungsausgleichs zurückhaltend waren.
Auf die entsprechenden Vorstösse sei hier eingegangen, sobald der Bundesrat dazu Stellung bezieht.

Mehr Transparenz

Das tat er zum Beispiel für die Kommissionmotion 24.3471 über die Kostentransparenz in der 2. Säule. Er lehnt sie ab, nachdem sie in der SKG-N äusserst knapp, mit 12 zu 11 Stimmen, angenommen worden ist. Der Nationalrat stimmte ihr aber in der zurückliegenden Herbstsession mit 139 zu 46 Stimmen überaus deutlich zu.
Die Kommissionsmotion verlangt gesetzliche Grundlagen, um Vorsorgeeinrichtungen zur Offenlegung ihrer Verwaltungskosten zu verpflichten. Von Vermögensverwaltungskosten steht nichts. So erklärt der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26. Juni 2024, die Forderung sei in BVG Art. 65 Absatz 3 bereits erfüllt.

SP-Nationalrätin Samira Marti bestätigt in der Ratsdebatte vom 11. September 2024, dass die Verwaltungskosten im engeren Sinne in den Betriebsrechnungen ausgewiesen würden. Hingegen seien die Vermögensverwaltungskosten, die extern bei Banken, Vermögensverwaltern, Anlagefonds und Depots anfielen, nicht offengelegt. «Sie sind nicht in der Pensionskassenbilanz, sondern nur hinten im Kleingedruckten aufgeführt», sagt sie. Es gehe um 7 Mrd. Franken.

So sei hier die Frage erlaubt, ob denn Zahlen nicht offengelegt sind, wenn sie im Kleingedruckten stehen. Wie dem auch sei: FDP-Nationalrätin Regine Sauter schildert in der Debatte, weshalb dieses Anliegen in der Kommission eine Mehrheit fand.

Regine Sauter ist irritiert

Wie üblich fanden in der Kommission Anhörungen statt, unter anderem auch von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Deren Schlussfolgerung findet Regine Sauter «etwas irritierend». So hält die EFK laut Sauter sinngemäss fest, dass es einer proaktiveren, transparenteren Kommunikation der Kosten bedürfe. Dies würde für mehr Klarheit sorgen. «Die Versicherten sollten sich diese Informationen nicht zwingend holen müssen, sondern sie sollten damit bedient werden.» Das nächste und vielleicht letzte Wort in dieser Sache hat der Ständerat.