Eine kleine Odyssee | Schweizer Personalvorsorge
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Eine kleine Odyssee

Herr Hülsensack hat seine Stelle gekündigt. Aber keine Sorge, er hat schon eine Neue. Per Ende Monat verlässt er den Arbeitgeber A und tritt bei Arbeitgeber B ein. Da die beiden Arbeitgeber nicht bei der gleichen Pensionskasse angeschlossen sind, tritt er damit auch bei der Vorsorgeeinrichtung Alpha aus und bei Beta ein. Was der fiktive Herr Hülsensack beim Stellenwechsel macht, findet in der Schweiz, wo jährlich jeder fünfte Erwerbstätige seine Stelle wechselt, hunderttausendfach statt. Wie dabei die Pensionskassen im Hintergrund genau vorgehen, ist jedoch unterschiedlich. Das verdeutlichen zwei illustrative Extremszenarien.

28.08.2024
Lesezeit: 2 min

Im Szenario 1 (old school) schickt die Personalabteilung des Arbeitgebers A die Austrittsmeldung per Briefpost an die Vorsorgeeinrichtung Alpha. Diese verarbeitet den Austritt und schickt Herrn Hülsensack ein Austrittsformular. Im Dokument gibt er seinen neuen Arbeitgeber B sowie die neue Vorsorgeeinrichtung Beta an und retourniert es an seine ehemalige Pensionskasse. Diese erstellt daraufhin ein Austrittsdossier und schickt es an die neue Vorsorgeeinrichtung Beta, die vom Arbeitgeber B inzwischen eine Eintrittsmeldung für Herrn Hülsensack erhalten hat. Vorsorgeeinrichtung Beta wiederum begrüsst den neuen Versicherten mit diversen Informationen und einem ersten Vorsorgeausweis. Sofern jeder Versand per A-Post erfolgt, dauert allein der Transport der verschiedenen Papiere mehr als eine Arbeitswoche – eine kleine Odyssee.

Im Szenario 2 (new school) melden Arbeitgeber A und B den Aus- sowie Eintritt von Herrn Hülsensack über die elektronische Lohnmeldung ELM von Swissdec an die beiden Vorsorgeeinrichtungen Alpha und Beta. Diese verwenden BVG Exchange Match der Auffangeinrichtung, einen Service, der den Aus- und Eintritt automatisch abgleicht und im Hintergrund abwickelt. Die eigentliche Übertragung der Freizügigkeitsleistung erfolgt über einen Payment Validation Service, weshalb keine Zahlungsdaten erfasst werden müssen. Herr Hülsensack erhält zwei Emails, mit denen er in den Vorsorgeportalen der beiden Pensionskassen seine Aus- und Eintrittsabrechnung zum Download abrufen kann. Bestenfalls ist der gesamte Prozess in wenigen Sekunden erledigt.

Beide Szenarien zeigen Konturen einer Pensionskassen-Welt, die es so kaum mehr gibt oder die erst am Entstehen ist. Deutlich wird allerdings allein schon angesichts der notwendigen Zeitdauer und der beim old-school-Szenario notwendigen Arbeiten zum Ausfüllen und Abtippen der Informationen, wohin die Reise gehen muss. Hinzu kommt: Jedes Formular, das manuell bearbeitet werden muss, kann liegen bleiben oder vom Versicherten nicht verstanden werden. Zieht er gleichzeitig mit dem Stellenwechsel auch noch um und meldet seine neue Adresse dem bisherigen Arbeitgeber und der Vorsorgeeinrichtung nicht, droht gar ein kontaktloses Konto mit einer Freizügigkeitsleistung.

Digitalisierungsprojekte in der beruflichen Vorsorge sind daher nicht nur eine Frage der Zeit oder der Kosteneffizienz. Sie tragen auch wesentlich dazu bei, dass die Vorsorgegelder an der richtigen Adresse ankommen und für ihren ursprünglichen Zweck zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund haben die beiden Branchenverbände inter-pension und ASIP einen «Digitalisierungsapell» verfasst, mit dem sie ihre Mitglieder überzeugen wollen die neuen Instrumente für den elektronischen Datenaustausch zu forcieren. Denn genau hier liegt die Krux: Das new-school-Szenario bleibt so lange ein unfertiges Flickwerk, bis alle Beteiligten mitmachen.