Oder warum künstlich bei Pensionskassen nur natürlich ist. | Schweizer Personalvorsorge
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Echt jetzt?!

Oder warum künstlich bei Pensionskassen nur natürlich ist.

Als ich das Thema für diesen Text genannt bekam, dachte ich spontan: "Besser künstliche Intelligenz bei Pensionskassen, als keine.“ Das darf ich natürlich auf gar keinen Fall so schreiben und schon gar nicht an den Anfang meines Textes stellen, aber wir sind ja zum Glück unter uns.

02.10.2024
Lesezeit: 3 min

Was resignativ wenn nicht gar verächtlich klingt, ist keineswegs so gemeint. Es sind schliesslich die Pensionskassen selbst, die lautstark den vermeintlichen Mangel an qualifiziertem Personal beklagen. Und die in ihrer vermeintlichen Not dann teilweise in den Maschinenraum beordern, was besser in der Kombüse weiter Kartoffeln geschält hätte.

„Vermeintlich“ übrigens deshalb, weil Pensionskassen sich so sehr unter Kostendruck wähnen, dass sie die wichtigste Investition vielfach glauben unterlassen zu müssen: diejenige in ihr qualifiziertes Personal von morgen. Lehrlinge ausbilden? Keine Kapazitäten! Quereinsteigende einarbeiten? Keine Kapazitäten! Das Jobprofil überdenken? Keine Kapazitäten! Sagen Sie es mir: Ist der Fachkräftemangel Henne oder Ei?

Sagen Sie es mir: Ist der Fachkräftemangel Henne oder Ei?

Eingestellt wird im Ergebnis dann notgedrungen, wer schon mal irgendwo irgendwas mit Pensionskasse gemacht hat (beispielsweise Kartoffeln geschält…), zuverlässig nicht schwanger werden kann (Stellvertretung? Keine Kapazitäten!), möglichst jünger ist als 35 (Sparstaffel! Kostendruck!) und auf keinen Fall mehr Grips und/oder Ambition hat, als die vorgesetzten Personen (wie würden die sonst dastehen? Gesichtsverlust!). Et voilà: Fachkräftemangel à la Pensionskasse.

Dabei wäre der Mangel ebenso wenig nötig wie – und auch das bleibt bitte unter uns – das Personal selbst. Echt jetzt? Echt jetzt.

Denn nüchtern betrachtet bestehen Pensionskassen letztlich nur aus immensen Datenmengen einerseits sowie starren Regeln und Algorithmen andererseits. Die Datenmengen entstehen durch die Arbeitgebenden und die zugehörigen Versicherten. Da sind beispielsweise die soziodemografischen Daten der Arbeitnehmenden, deren Löhne und Vorsorgevermögen Stand und im Zeitverlauf, die Zahlungshistorie der Arbeitgeber, die Eckdaten der von den Arbeitgebern (mit-)finanzierten Vorsorgepläne und und und.

Die starren Algorithmen ergeben sich aus dem Regelwerk, nach dem Pensionskassen beispielsweise ihre Leistungen festsetzen, Beiträge bemessen oder Investitionen tätigen. Gesetz, Verordnung und Reglemente machen hier Vorgaben, die sich durchaus als Wenn-Dann-Formeln lesen lassen. Wenn 35 oder älter, dann Sparstaffel 10 Prozent, beispielswiese.

Zugegeben, es sind viele Wenn-Dann-Formeln, meinetwegen auch sehr verschachtelte Wenn-Dann-Formeln. Am Ende aber eben doch nur: Wenn-Dann-Formeln.

Mit vielen, sehr verschachtelten Wenn-Dann-Formeln aber können (abgesehen vielleicht von Schachweltmeisterin Ju Wenjun und Nobelpreisträgerin Claudia Goldin) Computerprogramme schneller und zuverlässiger umgehen, als der Mensch.

Wenn in Pensionskassen also Datenmengen auf Algorithmen treffen, so wäre nur natürlich, dass diese Pensionskassen von Wenjun, Goldin oder eben Computerprogrammen betrieben werden. Gegen Wenjun spricht gemäss obigen Ausführungen eine potenzielle Schwangerschaft, gegen Goldin das Alter und gegen beide die Problematik des Gesichtsverlusts auf Vorgesetztenseite. Bleiben also nur noch die Computerprogramme, verkürzt auch als künstliche Intelligenz bezeichnet.

An ergänzender biologischer Intelligenz, aka Personal, bräuchte es dann

  • Computer-Nerds ohne Fluchtreflex bei Wort-gewordener Mathematik (denn nichts anderes sind Gesetze, Verordnungen und Reglemente);
  • Kommunikationsgenies, die Versicherte jeden Wissensstands und GemĂĽts zu chambrieren wissen;
  • keine Kartoffelschäler.

Soviel zum Einkaufszettel fĂĽr HR-Mitarbeitende von Pensionskassen.

Was mich bei all dem den Konjunktiv verwenden lässt, ist – und hier beisst sich die berühmte Katze in den Schwanz – der ge- und erwähnte Kostendruck. Es ist nämlich so, dass zwar Gesetze und Verordnungen einheitlich für alle Pensionskassen gelten, sich jede Pensionskasse jedoch an deren Interpretation einerseits und den eigenen Reglementen andererseits verkünstelt.

Ob diesem Satz ein «leider» fehlt, ist eine politische Frage, zu der ich mich enthalte, man nennt das wohl Wettbewerb.

Jedenfalls entsteht so für jede einzelne Pensionskasse auch ein ganz eigenes Regelwerk, ganz eigene Algorithmen. Somit bräuchte jede einzelne Pensionskasse auch ein eigenes Computerprogramm – Kapazitäten! Kostendruck! Katzenschwanz!

Es bleibt als Fazit, dass künstliche Intelligenz bei Pensionskasse zwar nur natürlich wäre, aber ein Kostendruck! Kapazitäten! Katzenschwanz! Konjunktiv! bleibt.