AGBR – die Renaissance des Tausendsassas | Schweizer Personalvorsorge
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AGBR – die Renaissance des Tausendsassas

24.01.2024
Lesezeit: 3 min

Ein Instrument der 2. Säule, über das ich in den letzten Jahren wenig gelesen habe, erlebte in der jungen Vergangenheit in unterschiedlicher Ausprägung eine Wiedergeburt: die Arbeitgeberbeitragsreserven oder kurz AGBR.

Im Glossar von BSV-Online steht: «Arbeitgeber können innerhalb ihrer Vorsorgeeinrichtung eine Beitragsreserve für kommende Jahre bilden. Einzahlungen als AGBR werden vom Arbeitgeber als steuerbegünstigter Aufwand verbucht. Die AGBR dürfen den drei- bis fünffachen Betrag des gemäss Reglement des Vorsorgewerks geschuldeten jährlichen Arbeitgeberbeitrags nicht übersteigen.»

Die Idee des Gesetzgebers ist also, den Arbeitgebenden die Möglichkeit zu bieten, in guten Jahren Reserven zu bilden, um dann in weniger guten Jahren von diesen zu zehren. Dadurch kann die Steuerlast über die Jahre geglättet werden. Geregelt ist dies im OR Art. 331 Abs. 3 sowie die steuerliche Abzugsfähigkeit unter Art. 81 BVG. AGBR können noch viel mehr, als periodenfremde Beitragszahlungen zu «beherbergen».

AGBR können noch viel mehr, als periodenfremde Beitragszahlungen zu ‹beherbergen›.

Die Idee des Gesetzgebers ist also, den Arbeitgebenden die Möglichkeit zu bieten, in guten Jahren Reserven zu bilden, um dann in weniger guten Jahren von diesen zu zehren. Dadurch kann die Steuerlast über die Jahre geglättet werden. Geregelt ist dies im OR Art. 331 Abs. 3 sowie die steuerliche Abzugsfähigkeit unter Art. 81 BVG. AGBR können noch viel mehr, als periodenfremde Beitragszahlungen zu «beherbergen».

Während der Coronapandemie wurden die AGBR zum Beispiel zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen allen Arbeitgebenden auch zur Bezahlung von Arbeitnehmendenbeiträgen freigegeben. Diese Möglichkeit war bis Ende 2021 limitiert, weshalb ich nicht weiter darauf eingehe.

Der Gesetzgeber hat den AGBR einen weiteren Verwendungszweck zugedacht. Sie sollen auch für die Sanierung eines Vorsorgewerks zum Einsatz kommen. Die Details sind in Art. 65e BVG sowie in Art. 44a und b BVV2 festgehalten. Doch wie funktioniert dies genau?

Im Gesetz ist verankert, dass die AGBR im Fall einer Unterdeckung mit einem Verwendungsverzicht (kurz AGBRmV) belegt und in einem gesonderten Konto geführt werden müssen. Des Weiteren dürfen AGBRmV weder den Unterdeckungsbetrag übersteigen noch verzinst oder in irgendeiner Form «angetastet» werden, solange die Unterdeckung besteht. In der Verordnung wurde zudem festgelegt, dass die AGBRmV erst dann wieder für Beitragszahlungen freigegeben werden dürfen, wenn die Unterdeckung vollständig behoben ist. Was heisst, dass eine vorzeitige Teilauflösung des Verwendungsverzichts nicht zulässig ist. Zudem ist in Art. 65e Abs. 4 festgehalten, dass zwischen Arbeitgebenden und Vorsorgeeinrichtungen vertraglich zusätzliche Regelungen getroffen werden können.

Wie eine solche Lösung aussehen kann, erläutere ich am Beispiel der Vereinbarung zwischen der Stadt Winterthur und der Pensionskasse der Stadt Winterthur (PKSW).

Geplant ist, dass die Arbeitgeberin einen Betrag von 120 Mio. Franken auf ein AGBR-Konto einbezahlt. Aufgrund der aktuellen Unterdeckung der PKSW würde dieses Konto beim Zeitpunkt der Einzahlung mit einem Verwendungsverzicht (AGBRmV) belegt und sofort den Deckungsgrad erhöhen. Sollte der Deckungsgrad per Ende Jahr unter 100, aber über 95 % liegen, würden 10 Mio. dem Vermögen der PKSW zugeschlagen. Läge er unter 95 %, wären es sogar 20 Mio. Der restliche Betrag verbliebe weiterhin auf dem AGBRmV-Konto.

Nach vollständiger Behebung der Unterdeckung würde das AGBRmV-Konto gemäss Art. 44a Abs. 1 BVV2 in ein normales AGBRKonto – also ohne Verwendungsverzicht – umgewandelt. Gleichzeitig käme eine zusätzliche Regelung zum Tragen, wonach die Arbeitgeberin sich verpflichtet, dieses Konto trotz Wegfall des «harten» Verwendungsverzichts weiterhin nicht für die Bezahlung von Arbeitgeberbeiträgen zu verwenden.

Steigt der Deckungsgrad auf über 105 %, würden 10 Mio. Franken zur Begleichung von Arbeitgeberbeiträgen freigegeben. Steigt er auf über 110 %, wären es sogar 20 Mio. Sinkt der Deckungsgrad während der Vereinbarungszeit wieder unter 100 %, würden die AGBR wieder mit einem «harten» Verwendungsverzicht gemäss Art. 65e BVG belegt. Dieses Spiel kann über die Jahre mehrmals hin und her gehen.

Was auf den ersten Blick kompliziert erscheint, ist eine risikoadjustierte Vorgehensweise, um eine Pensionskasse über mehrere Jahre unter Verwendung des Instrumentes AGBR finanziell zu stabilisieren. Beim beschriebenen Vorgehen ist zum einen sichergestellt, dass den Arbeitnehmenden bei ungünstigem Deckungsgradverlauf die ganzen 120 Mio. Franken zufliessen, zum anderen aber auch, dass die Arbeitgeberin nur so viele Mittel in die Pensionskasse einschiessen muss, wie aufgrund der längerfristigen Entwicklung notwendig sind.

Ob diese Vereinbarung über die Übertragung und den Verwendungszweck der AGBR am 1. Januar 2025 tatsächlich in Kraft tritt, entscheidet das Stimmvolk von Winterthur im Jahr 2024.