Eine Debatte, die zum Schluss lanciert wurde, kann ich dennoch nicht unkommentiert lassen: In der Handelszeitung wurde den Befürworterinnen vorgehalten, sie überzeichneten das Vorsorgeproblem der 2. Säule. Die Gegner wollten ein Kernargument der Pro-Seite, wonach die 13. AHV-Rente die Rentenverluste der 2. Säule ein Stück weit auffangen könnte, widerlegt sehen. Zwar sei unbestritten, dass sich die Konditionen für Neupensionierte wegen der UWS-Senkungen in den letzten Jahren verschlechtert hätten. Gleichzeitig hätten die Kapitalbezüge aber derart zugenommen, was bei einer Einrechnung der Kapitalbezüge in den Jahren 2015 bis 2020 einem Leistungserhalt und seit 2020 sogar einer Erhöhung des Leistungsniveaus entsprechen würde, liess sich ASIP-Direktor Lukas Müller-Brunner zitieren.
Markige Worte an die Adresse der Initianten der 13. AHV-Rente. Ein Novum, dass die massiven UWS-Senkungen so relativiert wurden. In der Branche wurden die Gründe bislang stets externalisiert – Tiefzinsphase und steigende Lebenserwartung –, aber die Rentensenkungen wurden nicht per se in Frage gestellt. Gabriela Medici vom Gewerkschaftsbund wehrte sich richtigerweise deutlich gegen diese Darlegung. Die Intervention sei wenig plausibel, der verzeichnete Rentenrückgang sei viel mehr nicht der einzige Hinweis auf eine sinkende Leistungsfähigkeit der 2. Säule. Im Tagesanzeiger gab es Rückendeckung vom Autor des VZ-Pensionierungs-Barometers. Er hielt die Aussagen von Müller-Brunner für Stimmungsmache.
Heute wissen wir, die Infragestellung der Rentensenkungen hat bei der Stimmbevölkerung nicht verfangen. Es war ein untauglicher Versuch, die Probleme in der 2. Säule kleinzureden. Die Versicherten wissen genau, dass der Umwandlungssatz die harte Währung ist. Sie haben in ihren Vorsorgeausweisen gesehen, dass ihre voraussichtlichen Renten stark gesunken sind. Selbstverständlich und zum Glück gibt es sozialpartnerschaftlich gut geführte Kassen, die ein Leistungsziel verfolgen und die Senkungen abfederten. Aber auch in Pensionskassen fällt das Geld nicht vom Himmel: «Stärkung des Sparprozesses» hiess übersetzt «Erhöhung der Beiträge». Und bei der Verwendung von Kapitalerträgen fehlten diese dann andernorts. Ausserdem waren schlicht zu wenige Arbeitgeber bereit, Leistungssenkungen mit Einlagen zu verhindern. Ich bin ehrlich überrascht, dass Lukas Müller-Brunner verlautbarte, dass in der Realität die meisten Kassen das Leistungsniveau hätten halten können. Das Gegenteil ist doch der Fall!
Bald kommt die BVG-Reform zur Abstimmung und die Diskussion um die Leistungsfähigkeit der 2. Säule wird wieder aufflackern. Ich bin überzeugt: Mit dem deutlichen Ja zur 13. AHV-Rente wurde der Weg für ein Nein zur BVG-Reform geebnet. Die steigende Kapitalbezugsquote ist ein wichtiges Symptom der unattraktiven Renten, die die tiefen Umwandlungssätze mittlerweile generieren. Und dies ist kein gutes Zeichen für die Versicherten. Auch von Gesetzes wegen steht klar die Rente als Leistungsart im Vordergrund (Art. 37 Abs. 1 BVG). Dies aus guten Gründen: Beim Kapitalbezug kann der Zweck der beruflichen Vorsorge, Ersatz für Wegfall des Einkommens, nicht sichergestellt werden. Die Finanzindustrie hat dagegen Interesse an immer mehr Pensionierten, die ihr Geld privat anlegen. Klar spielen auch steuerliche Überlegungen rein, dies jedoch vorwiegend bei wohlhabenden Personen.
Sinn und Zweck der beruflichen Vorsorge ist die Absicherung von Lebensrisiken mithilfe des kollektiven Anlegens von Kapital – im Sparprozess wie auch im Pensionsalter. Wenn man den Trend zum Kapitalbezug zu Ende denkt, wird die Idee der Kollektivität völlig ausgehöhlt. Im Abstimmungskampf zur BVG-Reform werde ich mich deshalb konsequent dafür einsetzen, dass die Leistungsfähigkeit der 2. Säule an den Rentenleistungen gemessen
wird.
Die steigenden Kapitalbezüge verheissen nichts Gutes