Neulich erzählte mir eine Freundin, dass ihr Sohn einen neuen Job habe. Er macht irgendwas mit Finanzen, meine ich mich zu erinnern, auch wenn das hier eigentlich gar nichts zur Sache tut. Dieser neue Job sei „Homeoffice only“ – was mich als eine, die „irgendwas mit Finanzen“ macht, hellhörig werden lässt, denn das erscheint mir doch eher ungewöhnlich. Meine Bekannte aber zuckt mit den Achseln und sagt nur „Fachkräftemangel“, das Zauberwort und Totschlagargument unserer Zeit. Der neue Arbeitgeber ihres Sohns sagt sie, sei sechs Flugstunden entfernt, da sei die Alternative zu „Homeoffice only“ für den Arbeitgeber nur „weitersuchen“ gewesen.
Vielleicht sollte ich ergänzen, dass meine Bekannte nicht direkt „Fachkräftemangel“ sagte, sondern eher etwas, das klang wie „fuck craft angle“ – sie ist Amerikanerin. (Im Übrigen halte ich die Betonung in diesem Zusammenhang für gar nicht so unpassend, was aber ebenfalls nichts zur Sache tut.)
Was in den USA ebenso denkbar scheint, wie die Amtszeitwiederholung eines in jeder Hinsicht untragbaren Präsidenten, wäre hierzulande ein ebensolcher Albtraum. Denn während es in den Staaten präsidial zuweilen kräftig mangelt, greifen die Mechanismen moderner Arbeitsformen davon abgesehen ganz unkompliziert. „Homeoffice only“ über eine Distanz von sechs Flugstunden – Yes, we can! Sprachbarriere, Landesgrenze, alles kein Thema, da inexistent. Einzig die Zeitverschiebung könnte zur Knacknuss bzw. zum Knacknüsschen werden.
Man stelle sich nun aber vor, die Finanzmitarbeiterin sässe ganzjährig nicht etwa im Nebenbüro oder -gebäude, sondern sechs Flugstunden von Zürich entfernt, also beispielsweise in Dubai, im Homeoffice.
Ob man sich ganzjährig in Dubai aufhalten möchte, sei dahingestellt, aber der Sozialversicherungswelt stünden auch ohne Kopftuch, Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit die Haare zu Berge. Angestellt in der Schweiz, aber dauerhaft im grenzüberschreitenden Homeoffice – da holpert und stottert das Sozialversicherungsgetriebe.
Vergleichsweise „einfach“ (oder was Nicht-Amerikaner eben darunter verstehen) wäre es, wenn die Finanzmitarbeiterin ihr Homeoffice im EU-/EFTA-Raum hätte. Sobald sie „wesentlich“, d.h. 25 Prozent oder mehr, von daheim aus arbeitet, ist sie im Wohnsitzstaat zu versichern, egal wo die Arbeitgeberin ansässig ist. Bye, bye Pensionskasse. Echt jetzt? Echt jetzt.
Nehmen wir die finanzaffine Françoise, die bei einer Arbeitgeberin in der Schweiz mit einem 100%-Pensum angestellt ist. Arbeitet sie pro Woche im Schnitt zwei Tage oder mehr vom französischen Homeoffice aus, muss ihre Arbeitgeberin Sozialversicherungen in Frankreich für Françoise abrechnen. Das ist aufwändig (und auf Amtsfranzösisch) und aufgrund der hohen Beiträge im französischen Sozialversicherungssystem auch relativ kostspielig. Françoises Pensionskasse in der Schweiz geht noch dazu leer aus.
Analoges gilt für das Homeoffice in sämtlichen EU-/EFTA-Staaten, also auch für die Designerin Doris im deutschen Homeoffice, die Personalerin Piotra im polnischen Homeoffice, die Industriekauffrau Ingibjörg im isländischen Homeoffice… You get the point: jeweils gähnende Leere in der Pensionskasse und babylonische Sozialabrechnungsverwirrung in der Personalverwaltung.
Nicht ganz so einfach (oder was Amerikaner als restlos kompliziert bezeichnen würden), gestaltet sich dann das Homeoffice von Dubai oder anderen Ländern aus, die nicht zum EU-/EFTA-Raum gehören. Spätestens da zeigt sich, ob der F***-Kräftemangel eines Unternehmens grösser ist, als Sprachkompetenz und administrative Effizienz in dessen Personalverwaltung.
Aus „Make Pensionskasse Great Again“ wird auf unserem kleinteiligen Kontinent darum wohl nichts. Vielleicht gilt eben einmal mehr, dass man nicht alles haben kann: Eine grenzenlos unkomplizierte Altersvorsorge oder einen redlichen Präsidentschaftskandidaten.
Oder warum Schweizer Pensionskassen nicht als amerikanischer Präsident taugen