Warum die Abschaffung von Art. 46 BVV2 umstritten ist | Schweizer Personalvorsorge
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Aus dem Bundeshaus

Warum die Abschaffung von Art. 46 BVV2 umstritten ist

Viele sind der Meinung, die 2. Säule sei überreguliert. Massnahmen dagegen sind selten. Nun könnte es passieren, dass eine Verordnungsbestimmung aufgehoben wird und Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen mehr Gestaltungsspielraum erhalten.

03.04.2025
Lesezeit: 4 min

In der zurückliegenden Frühjahrssession beschloss der Nationalrat, Art. 46 der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV2) aufzuheben. Dieser Artikel regelt, inwieweit Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen Leistungsverbesserungen gewähren dürfen, wenn ihre Wertschwankungsreserven nicht vollständig geäufnet sind.

Motion Ettlin
Die Debatte im Nationalrat ging auf die Motion 24.3372 von Mitte-Ständerat Erich Ettlin zurück. Von der bisherigen Regelung betroffen sind ausschliesslich Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, die im Wettbewerb stehen – nicht jedoch Vorsorgeeinrichtungen von Verbänden. Ettlin argumentierte, dass auch öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht in einem solchen Wettbewerb stünden und daher von dieser Bestimmung befreit werden sollten.

Der Ständerat teilt diese Meinung und stimmte in der letztjährigen Sommersession seiner Motion einstimmig zu. Doch der Nationalrat will noch weitergehen und den Artikel gänzlich abschaffen, was er in der zurückliegenden Session mit 120 zu 72 Stimmen bekräftigte.

Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner erklärte in der Ratsdebatte, Art. 46 BVV2 habe in der Vergangenheit teilweise für Unklarheiten gesorgt. «Die Frage, was genau unter Leistungsverbesserung zu verstehen ist, wird nämlich unterschiedlich und individuell interpretiert.» Das führte dazu, dass betroffene Einrichtungen erst klären mussten, ob eine Massnahme zulässig war, bevor sie handeln konnten.

Die Aufsicht funktioniert
Zudem sagte Rechsteiner im Namen der Kommissionsmehrheit, durch neue Weisungen, Fachrichtlinien und gesetzliche Änderungen seien die Anforderungen an die Pensionskassen stetig gewachsen. «Die Aufsicht funktioniert, und die Stabilität sowie die Sicherheit sind gut.» Jährliche detaillierte Prüfungen durch mehrere Instanzen sicherten das System zusätzlich ab.

Ob das der Ständerat auch so sieht? Noch im November sagte Motionär Erich Ettlin gegenüber «Schweizer Personalvorsorge»: «Man sollte den Kreis nicht zu weit ziehen, es gibt gute Gründe, nur die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen auszunehmen.»

Das sieht auch die links-grüne Seite so, die an der Version des Ständerats festhalten will. «Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen verfolgen oft feste Leistungsziele und brauchen sich nicht mit besonders hohen Verzinsungen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen», so SP-Nationalrätin Mattea Meyer. Sie liessen sich nicht mit Sammeleinrichtungen im freien Markt vergleichen. «Das lässt sich nur schon an den teilweise horrenden Brokerentschädigungen und Marketingkosten von Sammeleinrichtungen im Markt ablesen.»

OAK plädiert für Variante Ständerat
Auch die Oberaufsichtskommission ­Berufliche Vorsorge (OAK) sieht die ­Abschaffung kritisch. Ihre Direktorin Laetitia Raboud betonte mehrfach den Handlungsbedarf bei Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen.

Sie empfiehlt, von einer ersatzlosen Streichung von Art. 46 BVV2 abzusehen und stattdessen die Motion Ettlin in ihrer ursprünglichen Form zu unterstützen. Für die grosse Mehrheit der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen sei Art. 46 BVV2 irrelevant, da sie sich sowieso vorsichtiger verhielten. «Im Bereich der privaten Nicht-Verbands-Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen herrscht jedoch ein sehr intensiver Wettbewerb, der in Einzelfällen zu einem problematischen Verhalten führt», so die Antwort der OAK. Das Streben nach Neuanschlüssen geniesse dann höhere Priorität als die langfristig finanzielle Stabilität.

Eine Frage bleibt: Warum sollten nicht alle Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen unter diese Regelung fallen, wenn sie angeblich ohnehin nur dann Leistungsverbesserungen gewähren, wenn es die Wertschwankungsreserven zulassen?

Das wäre zwar noch keine Deregulierung, aber immerhin eine Vereinfachung. Ausnahmen machen ein System komplexer. Damit würde auch jenes Argument von Thomas Rechsteiner entkräftet, wonach der Artikel den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt: «Die Bestimmung bevorzugt versicherte Vorsorgeeinrichtungen, die auch bei nicht vollständig geäufneten Reserven Leistungsverbesserungen gewähren dürfen», so Rechsteiner. Nun liegt der Ball wieder beim Ständerat.

Intransparente Transparenz
So kommen wir zur Kommissionsmotion 24.3471 «Kostentransparenz in der 2. Säule». Die Sozial- und Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) reichte sie am 2. Mai 2024 ein. Der Nationalrat stimmte mit 139 zu 46 Stimmen dafür. Doch der Ständerat lehnte sie in der Frühjahrssession mit 24 zu 16 Stimmen ab, womit das Anliegen vorerst vom Tisch ist.

Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli argumentierte, die Forderung sei bereits erfüllt. Gemäss Art. 65 Abs. 3 BVG müssen Vorsorgeeinrichtungen ihre Verwaltungskosten in der Betriebsrechnung ausweisen. Art. 48a BVV2 präzisiert zudem, dass Kosten für allgemeine Verwaltung, Vermögensverwaltung, Marketing, Broker, Revision und Aufsicht gesondert auszuweisen sind.

Für SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen ist das Anliegen dennoch nicht erfüllt: Da Vorsorgeeinrichtungen nicht gesetzlich verpflichtet seien, ihre Verwaltungskosten offenzulegen, geschehe dies oft nur auf Nachfrage der Versicherten. Sie forderte, dass das Bundesamt für Statistik diese Zahlen veröffentlicht und mit einer Kennziffer vergleichbar macht.

Ist eine solche Kennziffer auch wirklich aussagekräftig? Bedeutet eine höhere Verwaltungskostenquote automatisch eine ­ineffiziente Vorsorgeeinrichtung? Angesichts der Komplexität des Systems helfen selbst detaillierte Zahlen wenig, wenn sie nicht richtig interpretiert werden.

Irreführender Versicherungsausweis
Zu erinnern sei an ein konkretes Beispiel, wie es im letzten «Bericht aus dem Bundeshaus» zu lesen war:
Ein Versicherter fand auf seinem Versicherungsausweis die Angabe «Maximal möglicher Einkauf: 149638 Franken». Als er seine Einkaufslücke zur Frühpensionierung auffüllen wollte, erfuhr er, dass diese tatsächlich viel höher lag. Der Grund: eine Scheidung, die in der Berechnung nicht sichtbar war. Die relevante Information fand sich lediglich unten auf dem Blatt unter «Zusätzliche Information» mit dem Hinweis «Saldo Auszahlung infolge Scheidung: 228139 Franken».

Schön wäre es, wenn wenigstens die individuellen Versicherungsausweise so daherkämen, dass sie auch von Laien verstanden würden. Damit wäre den Versicherten eher gedient als mit einem nichtssagenden Quervergleich der Verwaltungskosten.