Wettbewerb entschleunigen | Schweizer Personalvorsorge
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Wettbewerb entschleunigen

In der 2. Säule hat sich ein Markt herausgebildet, in dem vor allem (teil)autonome Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE) um neue Anschlüsse buhlen.

07.04.2025
Lesezeit: 3 min

Dieses Wachstumsstreben bringt viel ­Bewegung und ist weit verbreitet: Rund 80% der Umfrageteilnehmenden (SGE im Wettbewerb) der IFZ-Studie «Vorsorgeeinrichtungen 2024» verfolgen ein expli-zites Wachstumsziel. Die überwiegende Mehrheit strebt in Bezug auf die Anzahl Versicherter jährlich mehr als 4% Wachstum an. Die Neuanschlüsse stammen gemäss der IFZ-Studie vorrangig von versi­cherungsnahen SGE und Vollversicherungen, etwas seltener von unabhängigen SGE. Immerhin knapp 10% der Anschlüsse kommen «oft» oder ­«ausschliesslich», 41% «manchmal» von firmeneigenen Kassen, die liquidiert werden und deren Bestände neu in den Wettbewerb kommen. Wachstum ist also angesagt, aber mit welchen Folgen für die Versicherten? Erlauben Sie mir die rhetorische Frage: Ist mehr denn wirklich immer besser?

Eben erzählte mir wieder ein PK-Experte, wie ein Broker eine kerngesunde, mittelgrosse Betriebskasse zu einer Gemeinschaftseinrichtung lotste, sich Courtagen sicherte und dem bestehenden Bestand eine Verwässerung des Deckungsgrads einbrockte. Kein Einzelfall. Man kann es nicht anders sagen: Hier sind die Versicherten die Verlierer. Diejenigen, die ohne Not in einer SGE landen und künftig zum Teil horrende Brokerentschädigungen und Marketingkosten mitfinanzieren werden. Und jenen, die bereits in einer SGE im Wettbewerb versichert sind, droht mit jedem Neuanschluss eine Verwässerung des Deckungsgrads. Denn aus wettbewerblichen Gründen wird bei Neuanschlüssen oft auf den Einkauf in den aktuellen Deckungsgrad verzichtet.

Das Beispiel zeigt auch: Nutzniesser und zugleich Schmiermittel dieses Wettbewerbs sind Brokerinnen und Broker. Sie holen neue Anschlüsse in den Markt und halten den Wettbewerb auch am Laufen, indem sie befristete Anschlussverträge abschliessen lassen – die entsprechend immer wieder neu ausgeschrieben werden «müssen». Die Arbeit geht den ­Brokern damit nie aus. Im Gegenteil, ein beschleunigter Wettbewerb ist offensichtlich in ihrem Interesse. Wenig überraschend gibt es denn auch nur wenige Ausnahmen bei den SGE, die keine oder kaum Brokerentschädigungen bezahlen und trotzdem im Markt Bestand haben. Das können etwa kleinere Einrichtungen sein, die glaubwürdige Anbieter im Bereich des nachhaltigen Anlegens sind. Unternehmen und ihre Versicherten schliessen sich dort an, weil sie sich mit den Werten der Kasse identifizieren können. Gleiches gilt auch für gewisse Branchenlösungen. Hier gelingt die Identifikation mit der Kasse durch die Verankerung der Sozialpartner der Branche. Ihr zusätzlicher Pluspunkt: Weil das Vorsorgeangebot für die ganze Branche verhandelt wird, sind sie effizienter, und ihr Verwaltungsaufwand fällt wesentlich tiefer aus als bei den branchenneutralen SGE, die keinen Aufwand scheuen, um «massgeschneiderte» Lösungen für jeden einzelnen Anschluss zu erarbeiten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Solange die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Personals eingehalten werden, kann ein Wechsel für die Versicherten unter Umständen sinnvoll sein. Dasselbe gilt für Liquidationen von kleinen Kassen. Kritisiert werden sollen vor allem das hohe Tempo im Markt und die fehlende Berücksichtigung der Versicherteninteressen. Mit dem Fokus auf das Wachstum besteht stets die Gefahr, dass die SGE die Interessen der bestehenden Versicherten unterordnen, dabei ist das oberste Organ zuallererst ihren Interessen verpflichtet. Den Wettbewerb abkühlen, runterfahren, entschleunigen, das muss jetzt geschehen. Die Versicherten wollen nicht länger Kosten mittragen, die ihren Interessen zuwiderlaufen. Besonders problematisch sind dabei die Fehlanreize im Bereich der Brokerentschädigungen.

Gute Beratung ist wichtig, aber das Entschädigungsmodell muss angepasst werden: Mit aufwandbasierten, von den Arbeitgebern bezahlten Entschädigungen kann der Wettbewerb griffig entschleunigt werden. Es sind keine neuen Forderungen, sie werden schon lange von einer breiten Allianz gefordert. Nun könnte endlich wieder Bewegung in die Sache kommen: Jüngst hat auch die OAK-Direktorin, Laetitia Raboud, die Fehlanreize im System in einem Interview mit der «Sozialen Sicherheit» scharf kritisiert.