Laetitia Raboud, seit 1. Februar 2024 Direktorin der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK), kann sich nicht über Arbeitsmangel beklagen. Im Rahmen ihres Referats nannte sie insbesondere die Mindestanforderungen an die (direkte) Aufsichtstätigkeit, den Umgang mit bedeutenden Rechtsgeschäften mit Nahestehenden sowie Strukturtransparenz und interne Kontrolle von Vorsorgeeinrichtungen (VE) im Wettbewerb als Arbeitsschwerpunkte.
Angesprochen auf den Elefanten im Raum, die Einschränkungen von Leistungsverbesserungen für VE im Wettbewerb, meinte sie, man arbeite am Thema, und stellte eine baldige Kommunikation dazu in Aussicht.
Ein unsinniger Ansatz…
Im Anschluss an Raboud referierte Stephan Wyss, Experte für berufliche Vorsorge und Patrner bei Prevanto AG, zum technischen Zinssatz und nahm sich die Aufforderung des Organisators zu Herzen, etwas zu provozieren: Er plädierte nachdrücklich für einen risikoarmen technischen Zinssatz (was notabene explizit nicht bedeute, dass das Rentnerkapital auch risikoarm angelegt werden solle). Lägen die Bewertungszinssätze der Bilanzaktiven und -passiven zu weit auseinander, so grenze dies an eine gesetzlich vorgesehene «Bilanzfälschung».
Den in der FRP 4 gesetzten Risikozuschlag von 2.5% für die Obergrenze des technischen Zinssatzes bezeichnete er als «abenteuerlich» und anlagetechnisch langfristig gesehen als unrealistisch. Statt des Top-Down-Ansatzes der FRP 4 würde Wyss einen Bottom-Up-Ansatz begrüssen, bei dem auf die Rendite 10jährigen Bundesobligationen 0.5 bis 1.0% zugeschlagen werden – womit man im Übrigen just bei den heute verbreiteten technischen Zinssätzen von 1.5 bis 2% landet. Wyss schloss sein Referat mit dem Hinweis, dass dem technischen Zinssatz in der Branche eine zu hohe Bedeutung zugemessen werde und es vielmehr auf den Umwandlungssatz und die implizite Zinsgarantie ankäme.
… und eine Frage der Perspektive
An der folgenden Paneldiskussion nahmen neben Wyss Iwan Deplazes teil, Präsident der Swiss Asset Management Association (AMAS) sowie Verantwortlicher der Swisscanto PK-Studie, und Dieter Stohler, externere Stiftungsrat mehrerer Pensionskassen und BVG-Dozent.
Deplazes hielt Wyss entgegen, dass der Risikozuschlag von 2.5% durchaus realistisch sei und vom Gros der Kassen im Schnitt in den letzten Jahren übertroffen wurde. Nach seinem Dafürhalten sind die Pensionskassen in der Tendenz nicht zu wenig vorsichtig unterwegs, wie dies Wyss implizierte. Vielmehr könnten viele Kassen gerade im Anlagebereich mehr Risiken nehmen. «Ich möchte nicht in Deiner Pensionskasse versichert sein», stellte Deplazes gegenüber Wyss fest.
Dem entgegnete Wyss, dass die Vorsicht auf der Passivseite genau die Saat streue, damit eine Pensionskasse auf der Aktivseite dank dem Eingehen von Anlagerisiken ernten könne. Dies untermauerte er damit, dass er eine staatsgarantierte Kasse betreue, die seit zwanzig Jahren sanieren muss, weil man zu hohe Risiken eingegangen war. Eine solche Erfahrung gebe einem einen anderen Blick auf das Thema Sicherheit und Risiko.
Dieter Stohler relativierte den technischen Zins als einzelne Grösse. Der Satz sei immer im Gesamtbild zu betrachten. Und viel wichtiger sei letztlich der Umwandlungssatz: Mit ihm werden konkrete Rentenverpflichtungen über Jahrzehnte in Stein gemeisselt – und nicht nur Zahlen in der Bilanz verändert.
Wie viel Risiko darfs denn sein?